Im folgenden wird der Text eines Vortrags wiedergegeben, den ich am 24. November 1993 in der Evangelischen Akademie Hamburg gehalten habe. Er berichtet von den Erfahrungen einer Reise zum Meditieren nach Suan Mokkh, dem Garten der Befreiung, den ich für eine Gruppe von am Buddhismus Interessierten organisiert hatte. Es war der letzte von drei Vorträen einer Reihe, die den Titel "Hin und Weg" trug. Er gibt, so hoffe ich, einen guten Einblick in den Reiz des buddhistischen Erlösungswegs sowie in die Schwierigkeiten, diesen Weg zu gehen.

 

Hin und wieder weg

oder: Unsichere Annäherung ans Paradies

 

Guten Abend, meine Damen und Herren, zu diesem 3. und letzten Vortrag unter der Überschrift „HIN & WEG“. Ich möchte noch einmal mit einem Gedicht von Christian Morgenstern beginnen, überschrieben: Die Korfsche Uhr.

 

Korf erfindet eine Uhr,

die mit zwei Paar Zeigern kreist

und damit nach vorn nicht nur,

sondern auch nach rückwärts weist.

Zeigt sie zwei, – somit auch zehn;

zeigt sie drei, – somit auch neun;

und man braucht nur hinzusehn,

um die Zeit nicht mehr zu scheun.

Denn auf diese Uhr von Korfen

mit dem janushaften Lauf

(dazu ward sie so entworfen):

hebt die Zeit sich selber auf.

 

Es geht heute um eine Reise zu einem Ort, an dem die Zeit sich selber aufhebt, an dem die Gesetze unseres normal scheinenden Lebens aufgehoben sind, an dem die Vollkommenheit leer und die Leere vollkommen ist.

Bei dem Reiseziel, dem thailändischen Kloster Suan Mokkh, handelt es sich um einen besonderen Platz. Daher wird bis zum letzten Moment unklar bleiben, ob diejenigen, die diese Reise unternommen haben, von der ich hier berichten möchte, diesen besonderen Ort mit Namen ‚Garten der Befreiung‘ auch wirklich und wahrhaftig erreicht haben. Es wird unklar bleiben, ob wir zum Reich Gottes, zum Nirwana vorgestoßen sind oder irgendwo steckengeblieben in jener Zeit, vor der wir uns immer auch scheuen, in der wir immer auch Angst haben.

Daher habe ich diesem Vortrag die Überschrift gegeben: Unsichere Annäherung ans Paradies.

Diejenigen von Ihnen, die schon bei den ersten beiden Vorträgen dabei waren, sind darauf vorbereitet, dass dieser Vortrag anders sein wird als seine Vorgänger. Es wird heute keinen Spaziergang durch den bunten Garten der gut erdachten und schön erzählten Geschichten aus Ost und West geben, sondern den Bericht über eine Reise, die wirklich stattgefunden hat, eine Reise aus dem realen Westen des christlichen Abendlandes, wie er sich heute in Hamburg darstellt, in ein Land des real existierenden Buddhismus des Ostens und wieder zurück. Die Reise begann an einem 25. Oktober, die Teilnehmer sind wieder zu Hause – aber ob und wann jede und jeder auch wirklich wieder zu Hause angekommen ist, ob die Reise schon beendet ist, oder ob sie für die eine und den anderen noch weiter geht, das ist ebenso offen wie die Frage, ob wir unser Reiseziel überhaupt wirklich und wahrhaftig erreicht haben. Für Spannung ist also gesorgt.

Suan Mokkh, Eingang
Suan Mokkh, Eingang

Für diejenigen von Ihnen, die die beiden vorangegangenen Vorträge nicht gehört haben, möchte ich einen Hinweis darauf geben, wie alle drei miteinander zusammenhängen – abgesehen davon, dass am Anfang immer ein Gedicht von Christian Morgenstern stand. In den beiden ersten Vorträgen habe ich mit Geschichten und Reflexionen eine Theorie vorgestellt, die der Reise an einen Ort des Ausstiegs aus der gewohnten Zeit, zu einem Ort der Meditation zugrunde liegt. Menschliche Vollkommenheit ist immer leer und nichtig, das war die These des ersten Vortrags. Darauf folgte die Anti-, die Gegenthese, dass nur das Eintauchen in diese Leere wahre Vollkommenheit verspricht. Heute nun geht es um die Synthese, den Sprung in die Praxis dieser merkwürdigen Vollkommenheit, die der ‚Garten der Befreiung’ von allen Illusionen anbietet. Dieser ‚Garten der Befreiung’, auf thailändisch: Suan Mokkh, war das geographische Ziel der Reise.

Das inhaltliche Ziel war es, das ‚Hin & Weg‘ einmal ganz real zu erproben, nachzuprüfen, ob es das wirklich geben kann: durch die Schallmauer, die durch die Schwerkraft des Ich gebildet wird, durchzubrechen. Ob es wirklich möglich ist, in das ‚Reich der Freiheit‘ einzutauchen wie in einen See, in jene vollkommene Schwerelosigkeit, in der alles feder- und feenleicht ist, weil alles, Vergangenheit und Zukunft, Gut und Böse, Ich und Du, in einer höheren Einheit aufgehoben sind. Es ging in der Reise und es geht in diesem Bericht um die Probe aufs Exempel der theoretischen, theologischen und sprachlichen Spielereien, die ich hier bisher vorgetragen habe.

Dabei ist die Leitfrage: Haben wir diesen Ort, der die Befreiung von den Sorgen der Zeit zum Namen hat, auch wirklich erreicht? Und wenn ja, so ließe sich hinzufügen, sind wir dann auch wieder angekommen hier in Hamburg, oder leben wir danach gewissermaßen in zwei Welten, sind gewissermaßen gespalten?

Übrigens: Wenn ich im folgenden hier und da von ‚wir‘ spreche, dann meine ich eine Gruppe von insgesamt 10 Leuten, die am 31. Oktober 1993 in Suan Mokkh ihre Unterschrift unter einen Aufnahmebogen für einen zehntägigen Retreat, also einen Rückzug aus dem Alltagsleben, setzten. Damit verpflichteten sich die zehn, sich für die nächsten Tage an die Regeln zu halten, die für diesen besonderen Ort gelten. Acht der Reisenden kamen aus Hamburg angereist, zwei aus Bangkok. Alle waren Deutsche und so um die 45, also midlife-crisis-verdächtig. Außer uns unterschrieben noch weitere 70 Leute ihren Aufnahmebogen – etwa 100 kann das Kloster zu einem Zeitpunkt für diese Art von Freizeiten aufnehmen, die an jedem 1. bis 11. eines Monats angeboten werden.

Die meisten der anderen waren ein Stück jünger als wir und gehörten überwiegend zur Gattung der Aussteiger auf Zeit, die für ein halbes Jahr oder so Asien bereisen, und dabei auch die Plätze aufsuchen, auf denen sich spirituelles Neuland betreten läßt. Suan Mokkh gehört neben dem einen und anderen indischen Ashram zu den bekannten Plätzen dieser Art.

Soviel zur statistischen Beschreibung des ‚Wir‘. Mit diesem Personalpronomen ist im folgenden nicht mehr gemeint als eben die Summe von uns zehn Individuen, die sich, ohne sich vorher genau zu kennen, nach einem von mir ausgedachten und von der Ev. Akademie Hamburg organisierten Plan in der Nähe des Klosters getroffen hatten. Die Tage im Kloster erlebte jeder für sich, und es gab und gibt bisher keinen gemeinschaftlichen Anspruch darauf, dass es so etwas wie ein Gruppen-Ich gibt und geben müsse.

 

Was im folgenden berichtet wird, nehme ich also ganz und gar auf meine Kappe, ist mein Versuch, einen Teil der Erfahrungen und Reflexionen, die sich bei mir im Laufe der Reise angesammelt und danach abgelagert haben, für den Anlaß dieses Vortrags festzuhalten.

 

Suan Mokkh, der Garten der Befreiung, liegt von Hamburg weiter weg als die gut 10.000 km, die im Flug von Hamburg über Kopenhagen, Bangkok und Surat Thani in Südthailand und von dort mit dem Auto in einen kleinen Ort namens Phumriang in der Nähe des Klosters zurückgelegt werden. Es gibt nämlich noch andere Arten der Entfernung als die der exakten Maßeinheiten, und auch solche, die zunehmen, wenn man dem Ziel näher zu kommen scheint. Diese andere Art der Entfernung macht es grundsätzlich fraglich, ob man überhaupt an dem Ziel ankommen wird, das man erreichen möchte.

Maße für diese Art der Entfernung sind etwa die Gefühle der Fremdheit. Sie mischen sich ganz leise und beinahe unmerklich in das Urlaubsgefühl, das sich wohlig nach der Landung im warmen Oktober Thailands einstellt. Dies Fremdheits-Gefühl begegnet etwa in dem leisen Schlag, mit dem die Hitze nach dem Verlassen des gekühlten Bangkoker Flughafen auf meine Haut trifft. Achtung, heißt das, du könntest von dieser Wärme auch erschlagen oder erstickt werden. Achtung heißt das weiter, es könnte sein, dass du deinem Ziel näher kommst und dich gleichzeitig von ihm entfernst. Du könntest zwischen den auseinanderstrebenden Zeigern der Korfschen Uhr auch zerrissen werden.

Das Gefühl der Fremdheit begegnet wieder in der Gestalt unseres Gastwirtes, der in der Nähe des Klosters eine kleine Bungalow-Anlage unterhält, die unser ‚Basis-Lager‘ für den Aufbruch zu den Höhen der spirituellen Erfahrung darstellt. Er ist Deutscher, mit einer Thai verheiratet, und er lebt hier seit knapp zehn Jahren in der thailändischen Provinz. Er bewegt sich in seiner Wahlheimat mit der ängstlichen Scheu eines Menschen, der ständig aufpassen muß, dass er nicht irgendwo auf eine Tretmine tritt. Er kennt sich aus, aber heimisch ist er hier nicht geworden, und die Einstellung seinem Gastland gegenüber ist sehr zwiespältig. Unser Besuch bei ihm ist wie ein warmer Regen nach langer Trockenheit in zweifacher Hinsicht. Materiell, denn es gab wenig Gäste in letzter Zeit, und die Familie lebt von der Hand in den Mund, und auch spirituell, gewissermaßen, denn unter den wenigen Gästen und Besuchern sind noch weniger, die ihm als gleichaltrige Gesprächspartner dienen können. Wenn er hier schon so fremd ist nach so langer Zeit im Lande, wie sollen wir denn überhaupt eine Chance haben, hier jemals anzukommen?

Was wir von ihm hören, ist etwa dies: Seit einigen Jahren ist diese Gegend an der Ostküste Südthailands mit Krabbenfarmen übersät worden wie in anderen Regionen auch. Was da in Massen produziert wird, ist von schlechter Qualität. Seine Frau bringt die in den Bassins gezogene Krabben nicht auf den Tisch. Das Wasser aus den Teichen muß von Zeit zu Zeit erneuert werden, der Dreck wird ins nahe Meer geleitet. Baden ist da nicht mehr möglich. Und: Die Teiche für die Aufzucht der modischen und gewinnbringenden Tierchen sind in Land gegraben, das den örtlichen Bauern abgekauft wurde. Die haben jetzt Geld, was zu einer Steigerung des Autoverkehrs auf den Straßen des Ortes führte. Und in dem Bauern- und Fischerdorf entstanden vier Lokale, in denen Mann abends bei Musik essen und trinken – und Damen treffen kann. Es gibt nun auch in der ehemals dörflichen Idylle von Phumriang getarnte Bordelle.

Und überhaupt: Die Lage der Frauen ist vielleicht der kräftigste Hinweis auf die Fremdheit, die uns hier in Thailand umgibt, und die auch im Kloster nicht überwunden sein wird. Es gibt auch in Suan Mokkh nur Mönche, keine Nonnen, ein Schlag ins Gesicht der Gleichberechtigung. Bei einem ersten Besuch im Kloster springt das sofort ins Auge. Dort empfängt einen in einer Art Ausstellungshalle von bildlichen Darstellungen der Lehre Buddhas das Bild einer attraktiven Frau im Minirock. Von ihrer ganzen Kleidung gehen eine Menge Schnüre aus, an deren Ende Haken hängen. Vorsicht! Verführung! heißt das. Reichlich plump, das Ganze, so ist nicht nur unser Eindruck – was soll diese einseitige Warnung vor der femme fatale?

Auf jeden Fall: Thailand ist weiter weg von unserer Lebenswelt als nur 10.000 km, und das gilt auch für Suan Mokkh. Vielleicht ist dies Kloster paradoxerweise sogar noch weiter von unserer Wirklichkeit entfernt als das alltäglich-fremde Thailand, weil wir uns von ihm ja etwas erhoffen, das uns ganz und gar nahekommt und berührt. In die Erwartung, den Hauch der Befreiung von den Ängsten der Zeit zu spüren, mischt sich die Angst vor der großen Enttäuschung. Vielleicht liegt dies San Mokkh außerhalb unserer Reichweite.

 

 

Das Spirituelle Theater: Blinde Panik und erleuchtetes Wissen
Das Spirituelle Theater: Blinde Panik und erleuchtetes Wissen

Dabei ist dies Suan Mokkh ein reformerisches, modernes Kloster, vielleicht das fortschrittlichste, das es in Thailand überhaupt gibt, eine Ausnahme von der Regel. Sein Gründer, der sich selbst Buddhadasa, Sklave Buddhas, nannte, wurde im Jahr 1906 in Phumriang geboren, also in dem Ort, in dem wir vor und nach dem Klosteraufenthalt unser Quartier nehmen. Sein Vater war Chinese, seine Mutter Thai. Als junger Mann wurde er Mönch, wie es für jeden jungen männlichen Thai üblich ist, und er blieb sein Leben lang bei diesem Beruf. Maßgeblich dafür war der Widerstand gegen den oberflächlichen Buddhismus, den Buddhadasa als junger Mönch in Bangkok kennenlernte, und der sich seinem Eindruck nach auf rein äußerliche Rituale beschränkte. Er lehrte und praktizierte etwas anderes, einen Buddhismus, dessen Kern jedem, ob Mönch oder Laie, ob Mann oder Frau, direkt zugänglich sein sollte. Allerdings: Er blieb ein Mitglied der buddhistischen Kirche, trennte sich nicht sichtbar vom Establishment. 1932, im Jahr der thailändischen Revolution, in der die absolute Monarchie abgeschafft wurde, gründete er sein Kloster, zehn Jahre später verlegte er es an den jetzigen Ort. Und hier schrieb er eine völlige Neuinterpretation der Lehre Buddhas, ein wenig vergleichbar mit dem, was Martin Luther in unseren Breiten tat. Buddhadasa war ein Reformer, und er ist einer der größten buddhistischen Gelehrten der Gegenwart. Er starb im Sommer des Jahres 1993, einige Monate bevor wir in Thailand ankamen.

Zu den Lehren des Meisters gehört die Erkenntnis, dass die bestehenden Religionen nur äußere Verkleidungen für ein und dieselbe Wahrheit sind. Am Eingang des Klosters sind drei Kernsätze auf einer großen Tafel notiert, die schon zu Beginn der Arbeit Buddhadasas entstanden sind:

 

1. Jeder möge so zum Kern seiner eigenen Religion gelangen, dass sie wirklich nützlich wird.

2. Baut an der Verständigung und der Zusammenarbeit zwischen allen Religionen, Glaubensgemeinschaften und Sekten

3. Befreit die Welt von der schlimmen Macht des Materialismus.

 

Weil Buddhadasa darauf setzte, dass die gemeinsame Anstrengung der wahrhaft religiösen Menschen die einzige Hoffnung für die Bewahrung der Welt ist, war dies Kloster von Anfang offen für Menschen aller Religionen. Buddhadasa selbst wurde als Gastredner von anderen Religionsgemeinschaften eingeladen. Und so kam es, dass immer häufiger Anfragen kamen, ob auch Ausländer hier in einer ihnen verständlichen Sprache mit dem Kern der buddhistischen Lehren bekannt gemacht werden könnten. Das wurde ab 1985 in englischer Sprache ermöglicht, und vier Jahre später wurde dafür mit Hilfe zahlreicher Spenden thailändischer Förderer ein eigenes Zentrum fertig gestellt, etwa zwei Kilometer vom Hauptkloster entfernt, unser Ziel: der Internationale Ashram des Dhamma, der Buddha-Lehre.

 

Ob wir dies Ziel aber wirklich erreichen werden, das ist, wie gesagt, fraglich. Und dafür gibt es noch einen ganz speziellen Grund, in dem das Gefühl der Fremdheit und Unvertrautheit ganz leise noch eine besondere Qualität gewinnt. Man kann sich nicht anmelden für einen Meditationskurs in Suan Mokkh. Wer kommt, wird genommen, wenn die 100 Plätze voll sein sollten, sind sie voll. Auch das gehört zur Freiheit dieses besonderen Gartens. Es könnte also sein, dass einzelne von uns keinen Platz mehr finden werden. Das ist extrem unwahrscheinlich, aber schon der Gedanke eines Risikos in der Wahrscheinlichkeit eines Promillebruchteils macht besorgt und besetzt unsere Gedanken und Gefühle. Und diese Sorge im Hinblick auf das Hineinkommen in deinen Ort, an dem das uns selbstverständliche Prinzip der Absicherung durch eine Reservierung nicht gilt, macht mir am klarsten die Entfernung deutlich, die zwischen uns und dem ‚Garten der Befreiung‘ liegt. Und die Frage, ob wir da je richtig ankommen werden, läßt sich auch so formulieren: Werden wir so von diesem Geist der Freiheit angerührt werden können, der hier konsequent gepredigt und praktiziert wird. Werden alle unsere Sorgen aufgehoben werden können wie die Zeit in der Korfschen Uhr? Gibt es einen für uns erfahrbaren gemeinsamen Nenner zwischen unserer Welt und der, in die wir uns da hineinbegeben wollen?

 

Meditationshalle im internationalen Zentrum
Meditationshalle im internationalen Zentrum

Nüchtern betrachtet, steckt hinter der Weigerung, Voranmeldungen anzunehmen, zuerst einmal reiner Pragmatismus: es ist am einfachsten so und am angemessensten gegenüber den Gewohnheiten der meisten Besucher, der jungen Asienreisenden, die hier einfach so vorbeischauen. Als Leute, deren Hauptanlaß für die Reise nach Thailand die Teilnahme an diesem Retreat ist, sind wir die Ausnahme, oder vielleicht die Vorboten einer neuen Besuchergeneration?. Dann aber gibt es auch ein Prinzip, das dem Aufnahmeverfahren zugrunde liegt. Es ist in einem bestimmten Verständnis des Reisens begründet, das wiederum ein Bild für eine bestimmte Art des Lebens ist. In diesem Bild ist das Leben eine große Pilgerreise.

Ein Pilger ist jemand, der auf der Suche ist, und der sich daher auf Wanderschaft begibt. Er braucht Herbergen, für seine leiblichen Bedürfnisse, aber im wesentlichen für seine spirituelle Bedürftigkeit. Und diese Bedürftigkeit reicht in eine Dimension, die von allen anderen Arten der Lebenssicherung nicht erreicht werden kann.

Der Pilger sucht nach einer Quelle, die seinen spirituellen Durst verlöschen läßt. Es ist klar, dass sich diese Quelle nicht kaufen und bezahlen, also auch nicht vorbuchen und eventuell wieder abbestellen läßt. Hier kann es nur ganz direkt und mit vollem Risiko zur Sache gehen. Und: Wo sich nichts vorbestellen läßt, kann man auch nichts erwarten als das, was einem geboten wird. Reklamationen sind ausgeschlossen, Offenheit ist gefragt, ganz und gar. Die alten Gewohnheiten der Ver- und Absicherungen sind von einem Pilger am Eingang zur Herberge abzugeben. So ist das hier – und wir sind vielleicht hierher gekommen, weil wir so eine Herberge brauchen, ohne dass es uns ganz und gar bewußt ist, was das bedeutet: Ein Pilger sein.. Wenn wir den Pilgerstand begreifen, dann hätten wir eine Chance, anzukommen. Wenn es uns nichts anhaben würde, ob wir an diesem Kurs teilnehmen können oder ob das nicht geht, dann wären wir vielleicht schon angekommen, und brauchten gar nicht mehr teilzunehmen. Aber unsere Sorgen zeigen: Wir müßten erst noch Pilger werden.

 

Pilger reisen mit leichtem Gepäck. Und so heißt es erst einmal Ballast abwerfen, bevor wir in den zeitlose Zeit, die im Garten herrschen soll, hineinkommen. Es gibt da einen Fragebogen, der uns abfragt, ob wir bereit sind, uns an die Regeln zuhalten, die auf dieser Station unserer Reise nun einmal herrschen; ob wir es wagen wollen, unsere bisherigen Gewohnheiten, die diesen Regeln nicht entsprechen, auf Zeit aufzugeben. Anders ist das nicht zu haben, was hier angeboten wird, so wird uns eindringlich versichert.

Wertsachen und Pässe sollten abgegeben werden und damit vor allem die Sorge um sie. Die Sorge könnte den Aufenthalt trüben. Auch im Kloster könnte es Diebe geben. Ganz aus der Welt sind wir hier durchaus nicht. Aber das soll uns nicht beschweren, das ist der Punkt. Abgegeben werden sollten vor allem alle bisherigen Arten des Umgangs mit dem geistig-geistlichen Leben, alle Arten von Ritualen, Gebeten, Lesegewohnheiten und so weiter – und an allererster Stelle, weil am ungewohntesten und für viele am schwersten: Auf Zeit abgegeben werden sollte der Drang, sich mündlich mitzuteilen. In den nächsten Tagen wird, von genau umrissenen Ausnahmen abgesehen, geschwiegen werden.

Vorbedingung für den Einstieg in die Erfahrung der Freiheit eines Pilgers ist die Bereitschaft zur Lösung von allen bisherigen Bindungen. Nicht um Selbstaufgabe geht es: die Pässe, Wertsachen, Gebetbücher, Sprache und was sonst noch, wird hinterher zurückgegeben. Es geht um eine Übung im Loslassen auf Zeit. Und das heißt auch: An Freundschaft, an persönliche Bindung soll erst nach den Tagen der Einkehr wieder gedacht werden. Paare, welcher Art auch immer, sollten sich überlegen, ob sie stark genug sind, sich in den nächsten Tagen so zu begegnen, als begegneten sie sich nicht. Und natürlich: An Drogen ist gar nicht zu denken im Umkreis einer Pilgerreise. Und dasselbe gilt für alles, was einem zu dem Stichwort ‚Sex‘ einfallen mag.

Es ist ein bißchen wie der Abschied von der Welt, eben ein Gang ins Kloster, dies Ritual des Sich-Einschreibens und Sich-Hineinbegebens, ein Stücken Lebensübergabe an den Geist des Klosters und ein Akt des Vertrauensvorschusses den Menschen gegenüber, die diesen Geist repräsentieren. Wir überschreiten eine Grenze, die ganz und gar unsichtbar ist und gerade deshalb ganz besonders ernsthaft.

Und auch, wenn wir jetzt für elf Tage in den Garten der Befreiung aufgenommen sind: ob wir dort jemals ganz und gar ankommen werden, wird bis zum letzten Tag unsicher bleiben. Nichts hält uns ja, da zu bleiben, außer unser Vorsatz, den wir formell mit unserer Unterschrift unter das Aufnahmeformular bekundet haben. Und dieser Vorsatz ist mit Recht zu hinterfragen. Denn ob uns in dem ’Garten der Befreiung’ der Zauber begegnen wird, der uns hierher gelockt haben mag, oder ob uns im Vergleich zu unseren Erwartungen nur ein fauler Zauber erwartet, das ist nicht ausgemacht und das läßt sich im Land der Pilgerreisen auch nicht versprechen. Es gibt hier, das wird uns am Ende des Einlaßrituals noch einmal vor Augen geführt, nichts, worauf wir pochen könnten. Auch das Geld, das wir abliefern für die nächsten Tage, es sind umgerechnet lächerliche vierzig Mark für elf Tage Vollpension einschließlich des ganzen Kursprogramms, geben wir in Form einer Spende ab. Eine Erstattung bei vorzeitiger Abreise ist ausgeschlossen. Klar: Eine Spende läßt sich nicht zurückfordern.

Bei der Abgabe dieser Spende, die ein Unkostenbeitrag ist, knirscht die Tür zwischen der Welt der Reisebüros, aus der wir kommen, und der Welt der Pilgerreisen, in die wir gehen. Die meisten von uns hören dies Knirschen aber wohl nicht, weil sie schon so an die lauten Dissonanzen unseres Lebens gewöhnt sind, Kompromisse für etwas ganz Normales halten, die für die Hüter dieses besonderen Gartens sehr schmerzlich sind. Es hat nicht geklappt, nur auf die Spenden in ganz und gar verschlossenen Umschlägen zu bauen. Zu viele haben leere Umschläge abgegeben. So mußte ein Kompromiß zwischen dem Geist der Reisebüros, in dem Leistungen bezahlt werden, und dem Geist der Pilgereisen, in dem man vertrauensvoll von der Hand in den Mund lebt, gemacht werden.

 

 

Links von der Staatsstraße 41 gehts zum Kloster, rechts zum internationalen Meditationszentrum
Links von der Staatsstraße 41 gehts zum Kloster, rechts zum internationalen Meditationszentrum

Ein vom Kloster gemieteter Kleintransporter bringt die Sachen der achtzig angemeldeten Teilnehmer es sind zu zwei Dritteln Männer - mit einigen der Rucksack-Besitzer in den internationalen Teil des Klosters. Wir trotten auf dem roten Feldweg hinterher. Das ‚alte‘ Suan Mokkh, das wir hinter uns lassen, hat mehr den Charakter eines großen Waldes als eines Gartens. Unter einem Baum hatte der Buddha seine Erleuchtung, in der Natur läßt sich am besten Meditieren. Die Natur zu erhalten, gehört zu den Konsequenzen der Lehre, die hier gelehrt und gelebt wird.

Alle Gebäude im Kloster sind daher reine Zweckbauten und Symbole für die Lehre des Buddha, sie dienen nicht der Repräsentation. Ganz Suan Mokkh ist ein Ort der Arbeit und des Lehrens und, in unserer Sprache, der Verkündigung für die verschiedenen Gruppen von Menschen. Jede und jeder soll eine Chance haben, zu begreifen, worum es bei der großen Befreiung geht, die der Buddha selbst erlebt und weitergegeben hat, auch diejenigen wie wir, die nicht in einem buddhistischen Land aufgewachsen sind. Für sie wurde der besondere Platz angelegt, dem wir an diesem Sonntag-Nachmittag zustreben. Dass dieser Sonntag das Datum des 31. Oktober trägt, dass heute Reformationstag ist, paßt in mehrfacher Hinsicht ins Bild. Wir sind – mal wieder – auf der Suche nach der Erneuerung des eigenen Lebens. Und Buddhadasa war ein Reformer, der die Geduld hatte, darauf zu warten, ob seine Ideen von der Gesellschaft, aus der er kam, nun aufgenommen wurden oder nicht. Sein Tod war ein Beispiel für den Kampf zwischen Reform und Konvention im thailändischen Buddhismus.

Der Kampf zwischen dem Alten, das er überwinden wollte, und dem Neuen, das er lehrte, hat er in seinen letzten Monaten am eigenen Leibe erfahren bzw. eben nicht mehr erfahren. Buddhadasa starb zweimal, einmal am 25. Mai, zwei Tage vor seinem Geburtstag, für seine Freunde, und dann am 8. Juli für die Öffentlichkeit. Am ersten Datum erlitt er einen Schlaganfall, der ihn ins Koma führte. Er hatte bestimmt, dass gemäß seinem Glauben an das Gesetz der Natur – eine andere Bedeutung von ‚Dhamma‘ – bei ihm keine künstliche Lebensverlängerung vorgenommen werden sollte. Da aber bekannt war, dass der König sich um die Gesundheit des verehrten alten Mönch sorgte, gab es einen Konflikt zwischen dem Respekt vor dem verehrten Mönch und dem verehrten König. Es gab dann, typisch für Thailand, eine Art Kompromiß. Buddhadasa wurde in ein renommiertes Krankenhaus nach Bangkok geflogen und dort behandelt – sehr behutsam allerdings, eine Gehirnoperation wurde unterlassen. Es gab täglich ein Bulletin der Ärzte, das in den großen Zeitungen Bangkoks auf der ersten Seite veröffentlicht wurde. Dann brachte man ihn nach Suan Mokkh zurück und ließ ihn sterben. Man hatte gezeigt, dass man bereit war, alles zu tun und auch zu lassen, was getan und gelassen werden konnte.

Er sah zufrieden aus, meint der Abt des Klosters, der bei dem ersten und zweiten Tod des alten Mannes dabei war. Und der Abt und Freund sorgte dafür, dass es auch noch einen deutlichen Sieg des Neuen über das Alte gab: um einen durch Personenkult verursachten Massenansturm bei der Verbrennung des verehrten Mönchs zu vermeiden, wurde der Termin für dies Ereignis erst einen Tag vorher bekannt gegeben. So kamen nur 10.000 Besucher, nicht 100.000, die den Wald-Garten hätten zertrampeln können. Und die Frist von einem Jahr, die bei der Bedeutung dieses Klostergründers bis zu seiner Einäscherung ruhig hätte verstreichen können – je bedeutender ein Mensch, desto länger die Trauerzeit um ihn, so die thailändische Tradition -, wurde längst nicht ausgeschöpft. Buddhadasa wurde etwa einen Monat nach seinem ‚öffentlichen Tod‘ verbrannt. Die alten Traditionen wurden deutlich mißachtet. Das neue Denken wurde praktiziert.

Dann gab es noch ein kleines Wunder. Der Körper des Toten stank nicht, als er zur Verbrennungsstätte gebracht wurde. Buddhadasa war rein, als er starb. Und das war das am sinnlichsten wahrnehmbare Zeichen dafür, dass sein Leben im Dienste der Natur, ihrer Gesetze und der Pflichten, die sie uns auferlegt, auch entsprechende Früchte bringt. Und mit diesem makellosen Tod hat den Dhamma, die richtig verstandene Lehre Buddhas, triumphiert – auch wenn es in Thailand längst noch nicht alle begriffen haben.

Die thailändischen Buddhisten sind nur zu einem Teil angekommen bei der Lehre ihres großen alten Landsmanns. Es kann durchaus sein, dass es uns ähnlich ergeht, dass wir nur einen Teil des Geistes in uns aufnehmen, der hier weht, dass wir nur das verstehen, was wir verstehen wollen, nur einen äußeren, greifbaren Teil der Lehre, nicht den Kern.

Unterkunft im Meditationszentrum
Unterkunft im Meditationszentrum

Im Internationalen Dhamma-Ashram angekommen, beginnt zuerst das Einziehen in die Zimmer. Ich nehme mir den Schlüssel mit der Nummer 41. Das ist ein Stück Nostalgie, denn in Zelle 41 habe ich auch schon vor vier Jahren bei meinem ersten Retreat zugebracht. Ich nahm damals an einem der ersten Kurse teil, die hier in der neuen Abteilung des Klosters abgehalten wurden. Nun stelle ich beim Blick in die Zelle und auf ihre Umgebung fest, dass alles, fast alles, gleichgeblieben ist in den vergangenen vier Jahren. Hat sich die Zeit hier tatsächlich selbst aufgehoben? Auf jeden Fall kann ich die Beschreibung meiner Ausgangsbasis für die nächsten Tage fast wörtlich von meinem ersten Bericht abschreiben:

Ein Raum, 3x3x3 Meter groß; Wände, Boden und Decke aus nacktem Beton und Stein; ein vergittertes Fenster (gegen Ein-, nicht Ausbrüche); darunter von Wand zu Wand eine erhöhte Betonplatte zum Schlafen; darauf eine Pressholzplatte und zwei Reisstrohmatten; eine Plastikleine zum Aufhängen der Kleidung und eine Neonröhre, die jetzt auch Licht gibt, was sie vor 4 Jahren noch nicht tat; Vorbenutzer der Zelle haben einen Haken an die Wand geklebt und einige Kleiderbügel hinterlassen. In einer Zelle kann man ein Moskitonetz sowie Decken und Kopfkissen abholen und – neu! – weiche Unterlagen für diejenigen wie mich, die auf ganz hartem Boden nicht schlafen können.

Unter der Betondecke sind die Wände nach allen vier Seiten durchbrochen; für Lüftung ist somit gesorgt und auch dafür, dass Verbindung zu den Nachbarzellen besteht. Das ganze Gebäude ließe sich auch als ein großer Schlafsaal mit Zwischenwänden bezeichnen. Intime Privatheit wird nicht angestrebt. Außerdem gibt es viele Zisternen und Schöpfgefäße, Toiletten und Reinigungsgeräte und keinen Room-Service; dafür viele handgeschriebene Plakate und Hinweisschilder fürs rechte Verhalten. Die 55 Zellen, die sich um einen Innenhof des ‚Männerklosters‘ gruppieren und das entsprechende Zellenquadrat für die Frauen, einen Steinwurf entfernt, machen den, der sich hier einquartiert hat, zum Mönch bzw. zur Nonne auf Zeit.

Das zentrale Gebäude der ganzen Anlage ist die Meditationshalle, in der wir uns in den nächsten Tagen die meiste Zeit über aufhalten werden, auch sie ein nüchterner Zweckbau aus Beton. In der nur von Kerzen erhellten Dunkelheit des Morgens und des Abends kann die nüchterne Halle aber durchaus wirken wie eine dreischiffige Basilika, die ein Ort des Geheimnisses ist.

Auch der Tagesablauf hat sich nicht verändert in den letzten Jahren. Zwischen vier Uhr morgens und neun Uhr abends erstreckt sich das Programm mit einem festen Rhythmus von Meditation (fast sieben Stunden täglich), Vorträgen und der Erledigung der Dinge, die dem Unterhalt des Körpers und der Gebäude und des Gartens dienen. Es ist eine klösterliche Disziplin, in die wir uns da hineinbegeben haben. Der spirituellen Arbeit ist alles andere unter- und zugeordnet.

 

Mönche und Nonnen leben, wenn‘s richtig geht mit ihnen, im Jenseits von Gut und Böse, aller irdischen Sorgen ledig, man könnte, etwas arg vergröbert, auch sagen: Sie leben im Paradies. Und das, was ich am ersten Tag unseres Aufenthaltes im Kloster erfahre und höre, läßt mich vermuten, dass hier versucht wurde, für uns Besucher den Garten Eden nachzubilden und zu -gestalten, so gut das eben nur geht angesichts der gegebenen Umstände.

Es ist ein wunderschöner Palmengarten, in den wir da gesetzt werden, 80 acre groß, also nicht die Welt, aber sattes Grün, soweit das Auge reicht. Die Kokosnüsse wachsen einem hier gewissermaßen in den Mund. Und von ihnen und dem anderen, das im Garten wächst, könnte man sich durchaus ernähren. Die Palmen würden auch Material für den Bau einer schützenden Hütte gegen den Regen liefern. Die abgestorbenen Palmblätter fallen einem bei starkem Wind direkt vor die Füße. Ein Berg begrenzt den Blick nach Westen und vermittelt das Gefühl der Geborgenheit eines geschützten Tals. Tag und Nacht ist es warm, so um die 30 Grad, mit Schwankungen, so dass alle Gedanken an Heizung oder Kühlung unnötig sind. Außerdem gibt es jede Menge Wasser in diesem Garten, zur Erfrischung und Reinigung – auch Toilettepapier ist hier überflüssig – ebenso wie zur Erhitzung, wenn jemand auch diesen Luxus möchte. Die Natur hat hier einige heiße Quellen aus der Erde sprudeln lassen, die mit ihrem leichten Schwefelgehalt auch Heilung versprechen. Außerdem könnte man in ihnen kochen, wenn das nötig sein sollte.

Das ist aber nicht nötig, denn es ist schon für alles gesorgt. Für die Unterkunft ebenso wie für das Essen. Zweimal am Tag, um acht und um halb eins gibt es vegetarische Mahlzeiten, zwei bis drei Gerichte zur Auswahl oder Kombination plus Nachtisch und Getränk, soviel, wie jede und jeder möchte. Gesorgt ist auch für die Einteilung der Zeit, die Uhren konnten getrost in der Aufbewahrung zurückgelassen werden. Ein Gong zeigt an, was die Stunde schlägt, und der Klang dieser Glocke ist ein Ohrenschmaus, ein reiner himmlischer Sphärenklang.

Wir können also ganz und gar sorglos leben in diesem Garten Eden. Dafür sorgen die Engel, die uns hier begleiten, die auch unser geistliches Wohl im Auge haben, von dem alles andere abhängt. Die Engel sind Tan Santikaro, ein amerikanischer Mönch, und Sister Wendy, eine australische Laienschwester – Nonnen gibt es ja auch hier nicht. Und sie haben einige Helfer, andere Mönche für die geistliche Kost und Laien, die fürs Essen und die anderen alltäglichen Dinge sorgen.

Und das alles gibt es umsonst, wie es sich fürs Paradies gehört, fast umsonst, gegen eine lächerlich kleine Spende.

Zum Garten der Befreiung gehört wie zum Paradies weiter, dass Friede zwischen Mensch und Tier gehört, Moskitos eingeschlossen. Sollte jemand auf eine Skorpion oder Tausendfüßler stoßen, so steht in den beiden klösterlichen Schlafzellentrakten je ein Eimer bereit, über die die Tiere wieder in die Freiheit gesetzt werden können. Und was die Moskitos angeht: was spricht dagegen, ihnen das bißchen Blut zu gönnen, das sie von uns brauchen? Und wenn uns schon der Gedanke, einen Moskito bei uns saugen zu lassen wie ein Baby, allzu fremd ist, weil wir im Paradies eben noch nicht angekommen sind, dann können wir uns mit Abwehrstoffen einreiben. Auch sie stehen bereit. Aber absichtlich oder auch nur im Affekt lebendige Tiere töten, das geht nicht, das würde die Harmonie der Natur stören. Und es wäre ein Verstoß gegen das, was wir unterschrieben haben. Wir haben uns verpflichtet, die fünf buddhistischen Trainingsregeln des Lebens einzuhalten, zu dem das Nichttöten aller Lebewesen gehört.

Ebenso wenig ist es im Garten nötig, sich mit den eigenen Eitelkeiten zu beschäftigen. Es gibt keine Spiegel außer den natürlichen des Wassers. So sehe ich mich zehn Tage lang nur verschwommen von außen, dafür bin ich um so stärker genötigt, mich mit meinen inneren Unebenheiten, Pickeln und Verunreinigungen zu beschäftigen.

Natürlich braucht es im Paradies auch keinen SPIEGEL der Welt in gedruckter Form, und schon gar kein Fernsehen. Auch das würde ablenken von dem, worum es geht, dem spirituellen Prozeß der inneren Reinigung. Nachrichten vermittelt nur ein weißes Brett, auf dem mit Filzschreiber der jeweilige Tagesablauf geschrieben ist und sonstige Nachrichten, die die Engel des Gartens und ihre Helfer – und nur sie! – für wichtig halten. Die Nachrichten auf dem Brett werden von Tag zu Tag immer dünner, das Programm ist jeden Tag gleich, Lorraine, die Laien-Koordinatorin ersetzt schließlich nur das Datum für den folgenden Tag, und doch wird diesem Ort der Nachrichten eine ungemeine Aufmerksamkeit geschenkt. Jeden Morgen drängen sich hier die Leute, als erwarte man von einer Nachricht auf der weißen Tafel die eigene Erlösung, die doch nur von innen kommen kann.

Und schließlich: Der Garten Eden läßt sich leicht sauber und in Ordnung halten. Wenn jeder Bewohner auf Zeit eine Viertelstunde täglich ein paar einfache Aufgaben erledigt, und wenn alle pfleglich mit dem umgehen, was es hier gibt an Pflanzen und Gebäuden, bleibt alles ohne Beschädigung erhalten. In den vier Jahren seit meinem letzten Besuch hat sich ja in der Tat so gut wie nichts verändert. Wo die Zeit aufgehoben ist, da gibt es auch eine Chance, die Natur, die Welt zu erhalten.

Wir k ö n n t e n hier ganz und gar sorglos leben, wenn wir nur dazu in der Lage wären.

Aber unser Problem ist es ja, dass wir allesamt schon gründlich aus dem Paradies herausgefallen sind. Dass die Bibel da recht hat, kann uns diese Begegnung mit dem Paradies schmerzhaft deutlich machen. Und so führt uns die Begegnung mit diesem Garten in eine Reihe von mehr oder heftigen, offenen und geheimen Kämpfen mit den Regeln, deren Einhaltung wir versprochen haben und mit den Engeln des Gartens, die diese Regeln zu unserem Wohl am ersten Tag und danach immer und immer wieder wiederholen, und im Lauf der Zeit wird dies zunehmend ein Kampf mit uns selbst.

Denn wissen oder ahnen tun wir ja schon alles, was hier im Mittelpunkt steht und was uns von diesem Zentrum alles trennt, nachdem wir uns auf den weiten Weg nach Suan Mokkh gemacht und die Einlaßbedingungen unterschrieben haben.

Und so sind die äußerlich wahrnehmbaren Kämpfe zwischen den Engeln und uns Teilnehmern nur die sichtbaren Spitzen des Kampfes jedes einzelnen mit sich selbst, ob es ihm gelingen wird, wirklich hier anzukommen im Garten Eden der Befreiung, oder nicht. Und es ist nicht auszuschließen, dass der eine oder die andere dabei erkennt, dass er oder sie eigentlich gar nicht richtig hier ankommen wollte oder konnte. Einige reisen schon vor dem Ende der zehn Tage ab.

Was die wahrnehmbaren Kämpfe angeht, ist da als ein Beispiel für viele der Typ, der es bis zum vorletzten Tag nicht geschafft hat, seine Uhr abzustellen, so dass sie nicht alle volle Stunde ‚piep‘ macht und die Meditation aller anderen in der Halle stört. Und da ist die ständige Mahnung, sich an das Schweigegebot zu halten, und sie ist ständig neu nötig, gerade weil viele sie offenbar für Kindergartenkram halten. Und da ist mein Ärger, wenn ich irgendjemand bei irgendetwas beobachte, was sich ich selbst mir die ganze Zeit mit Anstrengung verkneife. Kurz: Die vielen Regeln in diesem Garten Eden und unsere Reaktion auf sie sind ein Spiegel unserer Unerlöstheit. Und das ganze Training dieser zehn Tage dient dazu, uns diese Unerlöstheit wieder auszutreiben, uns für den Aufenthalt im sorgenfreien Garten des Lebens fit zu machen. Und wenn wir Glück haben, dann haben wir diese Fitness erreicht, wenn wir den Garten wieder verlassen werden.

Aber ...

Santikaro
Santikaro

Meditation ist der hauptsächliche Trainings-Weg bei unserer Reise nach innen. Und unsere beiden buddhistisch-westlichen Engel übernehmen dabei die Rollen der Lehrmeister, Wegbegleiter, Dolmetscher und Seelsorger. Das Ziel ist der Punkt, an dem wir ganz und gar ‚Hin & Weg‘ sind, an dem wir in der aufgehobenen, erlösten Zeit sorgenfrei in der Gegenwart leben können. Den Weg zu diesem Knackpunkt des Lebens muß jede und jeder ganz alleine gehen, sie und er erhalten dabei allerdings Unterstützung in doppelter Form: Es gibt eine Einführung in die Praxis der Meditation und eine Begleitung bei den Versuchen, den meditativen Weg zu gehen, wie er hier gelehrt wird. Das übernimmt Sister Wendy. Und es gibt Vorträge über die Grundlagen der buddhistischen Lehre. Diese so genannten Dhamma-Talks hält Tan Santikaro.

In einem Bild gesagt: Wir setzen uns auf ein Fahrrad, um das Ziel des ‚Hin & Weg‘, der zeitlosen Befreiung zu erreichen, um wirklich im Garten Eden, im Reich Gottes/Nibbana anzukommen. Und weil wir vielleicht noch nicht richtig Rad fahren können, bekommen wir zwei Stützräder angeboten in Gestalt der Vorträge zu Theorie und Praxis der Meditation. Spätestens nach zehn Tagen sollten wir dann in der Lage sein, allein zu radeln. Wenn uns das noch nicht gelungen sein sollte, macht es aber auch nichts. Setzt euch um Gottes und des Dhamma willen nicht unter Leistungsdruck, das wird uns immer wieder freundlich eingehämmert.

Der Weg läßt sich mit den Begriffen, die ich in den bisherigen zwei Vorträgen benutzt habe, so beschreiben: Es geht darum, Schritt für Schritt die Leere und Nichtigkeit aller bisherigen eigenen Vorstellungen vom vollkommenen, dauerhaften Leben zu realisieren, alles Sich-Festhalten an den vielen Formen des Selbst aufzugeben, die einen normalerweise und scheinbar ganz selbstverständlich gefangen nehmen, um dann am Ende die Vollkommenheit der Leere zu erfahren, die vollkommene Selbst-Losigkeit.

Stützrad Nr. 1, die Meditationsbegleitung, hilft dabei, indem sie einen lehrt, mit Hilfe des Atems die verschiedenen Schichten der Person zu zähmen und zur völligen Ruhe zu bringen: unseren Körper, die Gefühle, den Geist und schließlich alle Gegebenheiten dieser Welt, von denen wir meinen, dass sie für einen lebenswichtig sind. Für jeden der genannten vier Bereiche hat der Buddha jeweils vier Schritte vorgesehen, das macht zusammen 16 Lektionen, mit denen sich das Selbst bewußt machen läßt als etwas, das keinerlei ewige Qualitäten hat und dem Gesetz der Veränderlichkeit und des Leidens und damit der Unvollkommenheit unterliegt wie alle anderen Dinge auch; Abkürzungen sind möglich auf diesem Weg durch die 16 Stufen. Letzter Schritt ist das Loslassen der Gefäße, in denen sich das vermeintliche Selbst aufgehalten hat, die Übergabe des Lebens hinein ins Dhamma, in das Gesetz der Natur, aus dem unser ganzes Leben ja auch herkommt. Und damit ist dann eine neue Zuwendung zur Welt möglich, eine reine und gleichmütig-mutige Zuwendung zu dem Leben, so wie es ist, und nicht so, wie wir es gerne sehen wollen.

Stirb, bevor du gestorben bist, so drückt es ein Merkspruch aus, der an einer der Wände des Klosters einen prominenten Platz einnimmt. Und man muß das Wort ‚Dhamma‘ nur durch das Wort ‚Gott‘ ersetzen, damit einem das alles beinahe wieder vertraut vorkommt: Es geht, in unserer traditionellen Sprache, um das Loslassen der Person in Richtung auf Gott, um Lebensübergabe an Christus, um das bedingungslose Sich-Führen-Lassen durch den heiligen Geist. Hier an diesem zentralen Punkt heben sich die Begriffe aus Ost und West selber auf, so wie die beiden Zeiten der Korfschen Uhr.

 

Ob es aber dies ist, dem ich auch ‚bei uns‘ schon hätte begegnen können, was ich hier gesucht habe? Da hätte ich doch auch eins unserer christlichen Klöster aufsuchen können.

Auf jeden Fall: In den Schwierigkeiten, die mir das auch nur für einige Minuten ruhige Sitzen macht, entdecke ich, wie abhängig ich von den Launen meines Körpers und meiner bisherigen Lebensweise bin; in der Schwierigkeit, auch nur einige Atemzüge lang nichts anderes im Sinn zu haben als eben diese Atemzüge, schlägt mir immer und immer wieder entgegen, wie wenig ich der Herr meiner Gedanke, Wünsche und Träume bin. Und in meinem Ärger darüber begegne ich einem eigenen Ich, das unstet hin und her hüpft. Ich könnte mich ehrlicherweise auf dies Ich nicht wirklich verlassen, wenn es darauf ankäme – ein unangenehmer Gedanke.

Da klingt es im ersten Moment wie Spott, im zweiten Nachklingen tröstlich, wenn Sister Wendy anmerkt, dass es nicht darum geht, uns selbst zu zensieren, sondern uns entspannt und lächelnd dem zu stellen, was einfach so ist, wie es ist – in uns und um uns herum, und darauf zu vertrauen, dass der Ärger über uns und andere bei diesem freundlich-nachsichtigen Umgang mit ihm eines Tages gehen wird, dass ich in der Lage sein werde, auch dies gehen zu lassen, was ich hier in der Beschäftigung mit mir selbst als störend, quälend und lästig entdecke.

 

Santikaro liefert zu alledem den allgemeinen Hintergrund.. Er verbindet die Buddha-Lehre mit einer fundamentalen Kritik des gegenwärtigen Zeitalters (Stichworte: Umweltkatastrophen, wirtschaftliche und sexuelle Ausbeutung). Die Welt braucht grundlegende Erneuerung, das Amerika, aus dem er herkommt ebenso wie das Thailand, in dem er jetzt lebt, und alles, was dazwischen liegt. Und was wir hier in diesem Garten der Befreiung lernen können, ist das Rüstzeug für diese Erneuerung. Es ist ein altes Rüstzeug, nicht hier erfunden, sondern nur neu wieder blankgeputzt und aktualisiert. Was die Welt erneuern kann, ist die alte ewige Wahrheit in der Fassung, in der sie dem Buddha und anderen Erleuchteten wie etwa Jesus begegnet ist.

Diese Wahrheit ist heute in vielfältiger Form zu erleben, eher althergebracht und auch modern. Santikaro erläutert die traditionellen Bilder und Vorstellungen des Buddhismus, die Lehre von der Wiedergeburt eingeschlossen, als ein großes Bilderbuch, in dem bildreich auf die unsichtbare, andere Wahrheit hingewiesen wird. Und dies ‚Andere‘ ist im Kern die Aufgabe, all das auszulöschen, was im Leben unbefriedigend, quälend und leidvoll ist. dukkha ist der Begriff dafür in der buddhistischen Fachsprache. Es entsteht durch das Festhalten an der Idee, der Illusion eines dauerhaften, ewigen, vollkommenen ‚Ich‘ und ‚Mein‘. Und ist dies Festhalten an dem ‚Ich‘ und ‚Mein‘ nicht in der Tat der Grund für das ganze Unglück, das wir in dieser Welt bejammern?

Meditation ist also nichts als der Weg, den Übeln der Welt und des Lebens in der eigenen Person auf den Grund zu gehen, um danach der eigentlichen Berufung des Menschen gerecht werden zu können: Ein Revolutionär im Dienste des Richtigen zu sein, das jenseits der traditionellen Vorstellungen von Gut und Böse liegt, sich einsetzen zu können für einen Erhalt der Natur und der Menschlichkeit.

 

Santikaro ist witzig, ironisch und schont auch seine eigene Person nicht, um uns die Grundgesetze des Lebens plausibel zu machen, die miteinander verwobenen Gesetze der Unbeständigkeit, des Leids und des Nicht-Ichs. Er ist durchaus ein Fundamentalist, und kann einem daher auch manchmal Angst machen, aber er ist eben einer mit einem Hauch von Selbstironie, ein Mönch mit Entertainer-Talenten, die seine abendlichen missionarischen Lehrreden zu einem Genuß machen.

Gut aber auch, dass da jeden Nachmittag noch ein anderer Mönch kommt, der uns die Wahrheit des Dhamma auf ganz andere Art und Weise nahe bringt. Es ist ein Thai-Mönch, der das Chanting beherrscht, das singende Rezitieren der grundlegenden Texte des buddhistischen Katechismus. Die Texte sind ins Englische und Deutsche übersetzt und unser Lehrmeister erklärt sie auch. Mit besonderer Vorliebe erläutert er das Gesetz von der allgemeinen Veränderlichkeit.

Eines Tages, so erzählt er als Beispiel, sei ein früherer Oberster Patriarch der thailändischen Buddhisten, der Mönchs-König sozusagen, mit einem großen Wagen und einer Polizeieskorte von seinem Kloster abgeholt worden. Plötzlich sei ein anderes Fahrzeug von der Seite in den Autokorso und in den Wagen des Patriarchen hineingefahren. Dabei kam der Patriarch ums Leben – und dabei lacht der Mönch ein fröhliches, glucksendes Lachen. „Impermanence“ sagt er lachend und hebt den Finger. Da sehen wir es mal wieder. Das Gesetz der Unbeständigkeit und Vergänglichkeit ist überall anzutreffen, und es gilt auch für die scheinbar Hochstehenden, und darum: Stirb schon, bevor du gestorben bist.

Und so ist das Lachen dieses Mönchs ein freundlicher Hinweis, darüber nachzudenken, wie es denn mit uns steht; ob wir das Gesetz der Vergänglichkeit so in uns aufgenommen haben, dass es uns nicht mehr bedroht in unserer letzten Stunde, die ja nicht nur für Patriarchen jederzeit kommen kann. Ob uns das Erschrecken vor dem Tod des Körpers, der Gefühle, des Geistes und der ganzen Welt erspart bleibt, weil wir dies Erschrecken in diesem Garten oder anderswo schon durchlebt und hinter uns gelassen haben.

Aber wollen wir das überhaupt, diese Begegnung mit dem Tod im Garten Eden?

 

Und wenn Sie mich nun fragen, wie es denn nun mit mir steht im Hinblick auf die von mir in dieser Wegbeschreibung dauernd gestellte Frage, ob ich denn wenigstens angekommen bin in Suan Mokkh, wirklich und wahrhaftig und ob ich befreit und fit wieder weggefahren bin, ob ich das ‚Hin & Weg‘, das ich hier und bei den vorigen Vorträgen immerzu umschrieben habe, denn selbst erfahren habe, dann können Sie sich die Antwort denken:

Ich weiß es nicht.

 

Allerdings: Ein bißchen mehr kann ich dazu doch noch sagen. Ich habe wohl etwas gespürt von der erlösten Zeit, in der die Sorge um Leben und Tod gleichermaßen aufgehoben ist. Ich habe – vielleicht – etwas davon gespürt in den Pausen dieser zehn anstrengenden Tage, in denen ich einfach nur dagesessen und das Sitzen in der Sonne genossen habe. Ich habe – vielleicht – etwas von dem Aufheben aller Sorgen gespürt in den Genüssen eines ganz einfachen Lebens. Ich habe – vielleicht – etwas davon gespürt auch beim anstrengenden sitzenden und gehenden Meditieren, in der einen oder anderen befreienden, erlösenden und erleuchtenden Erkenntnis, oder darin, dass eine Beklemmung, eine Wut, eine Erinnerung plötzlich wie weggeschwemmt schien. Das alles sind Erfahrungen der Annäherung ans Paradies, unvollkommene Annäherungen ans ‚Hin & Weg‘, aber – vielleicht – auch schon ein Hauch vom Paradies.

Aber ob ich in diesen Tagen dem Augenblick begegnet bin, der mein Leben ganz und gar befreit hat, zumindest für einen Moment; ob ich etwas mitgenommen habe, das mich hier in Hamburg ganz und gar so leben läßt, wie es sein sollte, das weiß ich nicht, und wenn ich es wüßte, würde ich es nicht ausdrücken können.

 

Und das ist keine Koketterie, sondern Ausdrucks des Respekts gegenüber jener Wahrheit, die unsichtbar in allen Orten und Formen der Einkehr und Befreiung steckt, hier im Westen wie im Osten.

Dies aber scheint mir sicher zu sein: Dass das Paradies nur dann draußen, außerhalb von uns zu finden ist, wenn es in uns selbst Wurzeln geschlagen hat; dass diese Aufhebung des Gegensatzes von außen und innen erfahrbar ist; und dass für eine solche Erfahrung eine Reise nach Thailand in den ‚Garten der Befreiung’ hilfreich sein kann , aber auf keinen Fall heilsnotwendig ist.

Um das zu unterstreichen, möchte ich zum Schluß noch ein Gedicht vorlesen. Buddhadasa hat es geschrieben, der alte Mönch, der auch ein Dichter war. Ich versuche eine Übersetzung der englischen Übersetzung des thailändischen Textes.

 

JETZT IST FREIHEIT

 

Die Wolken schweben jetzt jenseits der Spitze der Pagode,

Über den glitzernden Tempelgebäuden und Türmen.

Wolken verbinden sich zu einem Zauberbild,

Verkünden „Jetzt ist Freiheit!“ und überschütten dich mit Lächeln.

Sie rufen alle Leute, lassen keinen aus.

„Verschwendet eure Kraft nicht im Reisen auf der Suche

Des ewigen Glücks, auf das ihr in dieser Welt hofft --

Sucht ihr nach dem Bart des Profeten, werdet ihr für nichts sterben.

Wahres Glück läuft nicht den Gang der Welt,

Ist jenseits jedes Stroms von Schmerz und Sorge.

Mit Klebefüßen klettert es Wände hoch wie ein Gecko,

Sitzt nicht einfach nur herum auf dem Boden des Tempels.

Schwebt über den Tempeldächern im Spiel des Himmels,

Schwebt jenseits des Himmels, in dem die Engel wohnen,

Hin zu der Leere, in der das ICH verloschen ist,

Ist kein Leben, kein Sterben, oh, welch ein Friede!“

 

Ich danke Ihnen fürs Zuhören und stehe Ihnen gleich noch zur Verfügung für alle die Fragen, die ich in diesem Reisebericht nicht beantwortet habe.

Nachbemerkung

 

Der hier beschriebene Besuch im Kloster erfolgte kurz nach dem Tode Buddhadasa Bhikkhus, Mittlerweile hat es eine Reihe von personellen Verändernungen gegeben. Santikaro etwa ist aus Enttäuschung über die "Rückentwicklung" des Klosteres hin zu einer gesellschaftskonformen buddhistischen Einrichtung in die Vereinigten Staaten gegangen und hat dort versucht, die Ideen des großen Meisters in reiner Form weiterzugeben. Dazu hat er mit anderen in Wisconsin den Liberation Park aufgebaut. Auch in Suan Mokkh findet weiter einmal im Monat ein 11tägiger Kurs statt, der nach demselben Muster abläuft wie oben beschrieben.