Hier sind wir nun im Inneren der Lutheran Bethlehem Church. Das Bild wurde nach einem Gottesdienst aufgenommen, bei dem ich der Ehrengast war. Rechts von mir ist Rev. Andrews sen. zu sehen, der erste einheimische Pfarrer der Gemeinde, links sein Sohn, Rev. Andrews jun. Die Gemeinde ist eine Art Familienunternehmen. Gegenwärtig berreitet sich der Enkel des alten Andrews darauf vor, die Leitung der Gemeinde zu übernehmen.

Die Geschichte der Familie Andrews und ihrer Gemeinde ist ein Stück birmanischer Kolonial- und Nachkolonialgeschichte. Die beiden Pastoren sind Nachkommen indischer Einwanderer aus der heutigen südindischen Provinz Tamil Nadu. Ihre Vorfahren wanderten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Birma aus, weil die Briten hier Arbeitskräfte brauchten. Dem Ruf folgten auch Menschen, die von der lutherischen Leipziger Mission zum Christentum bekehrt worden waren.

Erinnerungstafel an Missionar Mayr, den ersten Pfarrer
Erinnerungstafel an Missionar Mayr, den ersten Pfarrer

 Die deutschen Hirten folgten ihren Schafen - das taten sie etwa auch für Ausgewanderte in anderen Gebieten des britischen Empire - und begründeten eine lutherische Gemeinde. Die wurde in den Anfangsjahren von einem deutschen Missionar geleitet, später von indischen Pfarrern, die aus Indien kamen. Mit dem Ersten Weltkrieg übernahm eine schwedische Mission die Betreuung der Gemeinde in Rangun. 1967 mussten alle ausländischen Missionare das Land verlassen. Da übernahm Andrews sen. die Gemeinde. Er war, wie auch sein Sohn, gelernter Ingenieur und hatte eine theologische Zusatzausbildung erhalten. Die Gemeinde war jahrzehntelang völlig isoliert und überlebte nur dank der finanziellen Unterstützung aus Schweden und den USA. Ein wenig Geld kam auch aus Deutschland - aber natürlich nicht aus Leipzig. Hier herrschte ja wie in Birma ein eher kirchenfeindlicher  Sozialismus, der den Kirchen keine großen finanziellen Sprünge erlaubte.

Mitte der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts übergab der alte Andrews de Leitung der Gemeinde an seinen Sohn. Das Gesicht der Arbeit veränderte sich damit radikal. Ein neues helles Gemeindebüro wurde eingerichtet. Ein Computer wurde installiert, Liturgie und Lieder wurden auch in die birmanische Sprache übersetzt. Der Sohn, selbst herzkrank, weitete seine medizinische Betreuung von Gemeindegliedern aus. Außerdem begründete er Zweigstellen der Gemeinde in neuen Siedlungen, die nach 1988 gebaut worden waren. Auf einer Reise in den neuen Stadtteil Hlainthaya habe ich ihn einmal begleitet.

Hier sind einige Bilder, die damals aufgenommen wurden.

Die Bilder zeigen von links nach rechts und von oben nach unten: Eine neue Pagode am Weg nach Hlainthaya. - Das Verwaltungszentrum (der birmanische Löwe war das Symbol der Militärjunta und ist heute das Logo der dem Militär nahestenden Partei USDP) - Wasserbeutel zum Schutz gegen Feuer - Das neue Gemeindezentrum - Die Toilette, auf die der gesundheitsbewusste Pfarrer besonders stolz ist - Rev. Andrews jun. bei der Presigt - Kinderspiesung nach dem Gottesdienst - Der Koffer, aus dem Medikamente verteilt werden - Gespräch mit einem Bewohner.

Marktöffnung

Bis 1988 war die Bethlehem Lutheran Church die einzige Lutherische Kirche in Birma. Danach gab es Konkurrenz. Die Regierung erlaubte die Neugründung von christlichen Gemeinschaften. Viel "christliches Geld" kam ins Land, vor allem aus Korea, wo es große charismatische Gemeinden gibt. Diese neuen Gemeinden machten den alteingesessenen Kirchen Sorgen, denn ihnen wurden teilweise die Mitglieder abgeworben.

Die luherische Gemeinde bekam ein anderes Problem. Einige Geistliche netdeckten das Markenzeichen "lutherisch" und gründeten unter diesem Namen neue Gemeinden, sehr zum Ärger der lutherischen "Stammkirche". Die mochte die Neugründungen nicht akzeptieren, da die Gründer sich von etablierten Kirchen getrennt hatten, mit denen die lutherische Gemeinde über den Kirchenrat eng verbunden war. Als dann der Lutherische Weltbund im Jahr 2010 drei neue lutherische Kirchen aus Myanmar aufnahm, war das für Rev. Andrews ein großes Unglück. Ich habe damals vergeblich versucht, die Neuaufnahme zu verhindern und die Hintergründe in einem Artikel geschildert und analysiert.